Die Flurnamensammlung der Ostfriesischen Landschaft eignet sich hervorragend als Quelle interessanter Wanderungen. So auch hier: wer war schon auf Pett Mörken?
Die Flachsrotten von Bagband
Wer auf dem Ostfriesland-Wanderweg nördlich von Bagband Richtung Norden wandert, findet rechts und links des Alten Postweges zwei interessante Gehölze. Hier befinden sich im einstigen Moorgebiet zwei natürliche Senken, die lange Zeit zur Flachsrotte (auch Flachsröste genannt) genutzt wurden.
Jahrhundertelang wurde auch in Ostfriesland von den Bauern der Gemeine Lein angebaut, besser bekannt als Flachs. Die blauen Flachsfelder, oft auf abgetorften Flächen angelegt, gehörten seit dem 15. Jahrhundert zum Landschaftsbild. Aus den Fasern wurden in mühsamer Kleinarbeit Fasern (Leinen) hergestellt, aus den Samen Leinöl gepresst. Der Flachsanbau war einst ein wichtiger Wirtschaftszweig, sogar Ortschaften wie Flachsmeer wurden danach benannt. Auch der Gallimarkt in Leer, heute ein bekanntes Volksfest und Viehmarkt, war ursprünglich ein reiner Flachsmarkt und war Grundlage des Tuchhandels.
Um die Faserbündel zu erhalten, mussten sie von den Holzbestandteilen getrennt werden. Diese Arbeit überließ man Bakterien und Pilzen, indem man sie, je nach Temperatur, bündelweise einige Tage bis Wochen ins Wasser legte, die sogenannte Flachsröste. Hierfür boten sich kleine, nicht zu tiefe natürliche Senken an, die mit Wasser gefüllt waren. Manchmal wurde sie auch künstlich angelegt. Moorwasser war besonders gut geeignet dafür.
Die Röste war sehr geruchsintensiv und belastend für das Wasser, auch gab es öfter Streitigkeiten über die Besitzverhältnisse. Man musste regelmäßig kontrollieren, ob sich die Stängel bereits abgelöst hatten. War dies der Fall, wurden die Bündel auf dem angrenzenden Feld ausgebreitet und getrocknet, dabei mussten sie regelmäßig gewendet werden. Anschließend wurden sie nicht minder aufwändig weiterverarbeitet, bis daraus endlich ein Tuch gewoben werden konnte. Im 19. Jahrhundert ging der Anbau stark zurück, das Leinen wurde durch Baumwolle verdrängt. Die alten Flachsrotten sind aber teilweise noch erhalten geblieben und tauchen als Mörken, Delllmörken, Poot Mörken und Pett Mörken noch in den Flurnamen auf. Mörken bezeichnet dabei die als Flachsröste genutze Senke.
Streift man (am besten mit Stiefeln) heute durch das Gebiet, findet man noch einige Senken wieder, die verborgen im sumpfigen Gehölz liegen. Birken und Weiden auf bemoostem Untergrund bestimmen den Charakter. Brombeeren sind weit verbreitet und erschweren den Zugang. Leider hat sich an einigen Stellen auch der Knöterich, eine invasive Art, ausgebreitet.
Ganz in der Nähe, direkt an der B436, liegt ein Flurstück namens Biggenkamp. An einer Ausbuchtung zwischen Straße und Radweg kann man den Biggenbaum bewundern, um den sich viele Sagen ranken. Sein Namen verdankt er einem Raubzug des Grafen Gerd von Oldenburg durch die Dörfer Strackholt und Bagband im Jahre 1473. Seine Söldner raubten gegen seinen Befehl auch die Kirchen aus und nutzen die Abendmahlskelche, um sich während einer Pause unter einem Baum sinnlos zu betrinken. Der Pastor folgte ihnen und sah sie „duun as Birgen“ (Birgen/Biggen: Ferkel) dort liegen. Er wollte den Kelch zurück, wurde aber ausgelacht. Wie in den Sagen üblich, verfluchte er die Söldner und den Ort gleich mit, der seitdem Biggenbaum oder Biggenboom genannt wird. Natürlich soll es seitdem dort spuken.
Oldehave
Weiter geht es über das Bagbander Tief Richtung Südosten nach Oldehave. Dieser Forst auf sandigem Grund war einst Vorwerk des etwa 7 km entfernten Prämonstratenserinnenklosters Barthe im Heseler Wald. Man vermutet, dass hier vorher auch eine Kapelle gestanden hat. Heute ist es ein kleiner Mischwald mit teilweise sehr alten Bäumen. Ein Teil des Nadelwaldes wurde vor einigen Jahren gefällt und durch Laubbäume ersetzt, vor allem Eichen. Dadurch soll auch der Grundwasserspiegel wieder steigen.
Ansonsten ist es hier sehr ruhig. Im südlichen Teil, ein alter Laubwald, befand sich die Hausstelle des Vorwerks, die heute noch im Flurnamen Huusstee auftaucht. Hier findet man sehr alte Bäume und einige Hügel und Gräben, möglicherweise Reste aus der Zeit des Vorwerks.
Der Bergabhang von Holle Sand
Von Oldehave geht es durch das Bagbander Torfmoor Richtung Holle Sand. Das Bagbander Torfmoor liegt eigentlich in Firrel, es hat seinen Namen von den ersten Kolonisten, die von Bagband aus 1762 die Gemeinde gründeten und mit der Urbarmachung des Moores begannen. Der sandige Boden setzt sich auch weiter nach Osten fort und bildet dort mit dem Holle Sand die größte noch erhaltene Binnendünen-Landschaft Ostfrieslands. Die ersten Dünen entstanden durch großflächige Verwehungen von Sand nach der letzten Eiszeit, als noch keine Bäume und Gehölze den Boden schützten. Die höchste Düne im Holle Sand, der über 18 Meter hohe Kugelberg, ist gleichzeitig der höchste „Berg“ auf dem ostfriesischen Festland.
Im Mittelalter sorgte die Abholzung für weitere Verwehungen, ehe man zur Sicherung des Sandes das Gebiet hauptsächlich mit Kiefern aufforstete. Holle Sand seht bereits seit 1951 unter Naturschutz und darf nur auf ausgewiesenen Wegen betreten werden. Auf diesen gelangt man zum Beispiel zum dicken Stein, einem durch Erosion freigelegten Findling, oder zum Hexentanzplatz. Dieser bekam seinen Namen allerdings erst lange nach den Hexenverfolgungen durch den Lehrer Brandes, der seinen Schülern noch bis in die 1960er Jahre auf Wandertagen eine wilde Hexengeschichte erzählte, in der der Hügel eine Rolle spielte.
Es gibt einen kleineren Teil westlich außerhalb des Naturschutzgebietes, quasi am „Abhang“ des Holle Sand Gebirges. So zumindest kann der Flurname Hinter Liddenbusch gedeutet werden, denn Lidde steht im Mittelniederdeutschen für „Höhenteil eines Abhangs“. Tatsächlich merkt man von einem Abhang natürlich nicht viel, es gibt jedoch auch hier Wälle und Sandhügel und das Gebiet ist bewaldet. Daneben findet man einige Merkwürdigkeiten, deren Sinn sich nicht unbedingt sofort zeigt – siehe Fotos.
Alle Aufnahmen mit alten Nikkor-Objektiven, hauptsächlich mit dem 35mm f/2 AI-S.
Schreibe einen Kommentar