Der Rysumer Nacken verdankt seine heutige Form der Verlagerung des Hauptfahrwassers der Ems, ein Unternehmen, um den Emder Hafen auch für größere Schiffe besser erreichbar zu machen. Im Zuge der Verlagerung wurde in den Jahren 1930 bis 1933 ein etwa 3,5 km langer Steindamm von der Knock Richtung Norden errichtet, dahinter lagerten sich große Mengen Sand ab. Ab Mitte der 50er Jahre diente das Gebiet als Deponie für die immer größer werdenden Mengen an Baggergut aus der Ems. Daher liegt das dem Bund gehörende Gebiet etwa 5 bis 8 Meter über dem Meeresspiegel und wurde bis zur Allerheiligenflut 2006 nicht überflutet. Ursprünglich war geplant, auf dem fruchtbaren Boden Bauernhöfe anzusiedeln, man entschied sich jedoch, dass Gebiet für Industrieansiedlungen freizugeben. Seit 1977 ist dort ein Ergasterminal ansässig und für die Verteilung des Erdgases aus Norwegen zuständig.
Ansonsten hat sich lange Zeit nichts getan. Ein Beweidungsprojekt sorgte für eine extensive Landwirtschaft mit alten, robusten Rinderrassen, im wesentlichen lag das etwa 155 ha große Gebiet Gebiet brach.
Seit 2006 wird das Gebiet wieder mehr für Industrieansiedlungen genutzt. Den Anfang machen Windenergieanlagen, darunter die einige der größten Anlagen der Welt. Weitere Industrieansiedlungen sind geplant, der größte Teil der Brachflächen wird somit möglicherweise bebaut. Ein neuer Emder Hafen ist auch geplant, ein Kraftwerk wird diskutiert. Ob das alles verwirklicht wird, kann derzeit niemand genau sagen. Es gibt immer mal wieder Überlegungen, wie man das Gebiet industriell nutzen könnte, eine Entscheidung steht aber noch aus.
Nördlich des Fähranlegers und des Erdgasterminals befinden sich noch Brachflächen, die an den Nationalpark Wattenmeer angrenzen und wohl nicht gleich bebaut werden. Hier konnte sich die Natur relativ ungestört entwickeln. Der lockere Sandboden ist von Kaninchenbauten unterhöhlt, große Schilfflächen bieten Rückzugsgebiete für seltene Pflanzen- und Tierarten, es gibt sogar das seltene Übersehene Knabenkraut, eine Orchideenart. Auch einige Gehölze mit Erlen, Birken und Weiden finden sich dort und dürfen im Gegensatz zum angrenzenden Nationalpark auch (vorsichtig!) betreten werden. Es gibt zudem mehrere Teiche, die als Brutgebiet dienen und somit während der Brutzeit gemieden werden sollten. Ob das am Ende des Weges neben der Gasstation aufgestellte Schild “Vogelbrutgebiet” rechtliche Relevanz hat, ist mir nicht bekannt. Ein offizieller Aufkleber der ausstellenden Behörde fehlt zumindest.
Wer einen Rundgang machen möchte, kann vom Fähranleger aus das (eingezäunte) Erdgasterminal umrunden. Ein längerer Weg (ca. 11 km) führt an der Ems entlang vom Cafe zum Schöpfwerk, von dort aus am Campigplatz Knock vorbei zum Deich und auf/neben diesem bis zum Erdgasterminal und wieder zum Parkplatz.
Eine weitere Tour aus dem Jahre 2019 ist hier beschrieben.
Update: Ende 2018 wurde das Naturschutzgebiet Außenems beschlossen. Dadurch steht ein Teil des Uferbereiches (das Dreieck zwischen Erdgasterminal und Nationalparkgrenze) unter Naturschutz und darf nicht betreten werden (außer auf gekennzeichneten Wegen).
Achtung: An der Badestelle neben dem Fähranleger hat es 2008 einen Todesfall gegeben. Das Baden an dieser Stelle ist aufgrund der starken Strömung lebensgefährlich, worauf auch die Schilder Achtung, starke Strömung, Lebensgefahr hinweisen. Über ein generelles Badeverbot wird noch diskutiert.
Alte Siele und versunkene Dörfer
Der Küstenverlauf an der Knock hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Der Name stammt von dem alten Siel- und Fährort Knock, welcher bis etwa 1600 auf dem höher gelegenen Emswall lag, trotzdem aber nach mehreren Sturmfluten ausgedeicht werden musste. Die Ortschaft Drewert, die unmittelbarer Nähe der heutigen Gasstation lag, musste schon vorher aufgegeben werden. Das gleiche Schicksal ereilte das westlich der Knock gelegene Kirchspiel Betteweer I (auch Bettewehr), welches um 1590 ausgedeicht wurde und etwa 200 Meter westlich des heutiges Schöpfwerkes lag. 1605 entstand nordöstlich davon die Siedlung Betteweer II, aber auch dieser Ort wurde 1717 von der Weihnachtsflut so stark zerstört, dass man sie drei Jahre später nach der Silvesterflut von 1720 endgültig aufgeben musste. Die Weihnachtsflut von 1717 richtete entlang der Emsmündung riesige Schäden an, es wurden bis zu 25 m tiefe und über 300 m lange Kolke unmittelbar hinter dem Deich aus dem Boden gespült. Die Reparatur dauerte mehrere Jahre, es kam sogar aufgrund der harschen Arbeitsbedingungen und ausbleibenden Lohnzahlungen zu mehreren Deicharbeiterstreiks (Laway).
Noch um 1900 verlief die Ems direkt an den Orten Larrelt und Wybelsum entlang. Larrelt war bis Ende des 19. Jahrhunderts ein wichtiger Sielort, ebenso wie die Knock mit ihrem 1881 erbauten Siel. Nachdem zunächst 1874 der Kaiser-Wilhelm-Polder bei Emden eingedeicht wurde, folgte von 1912 bis 1923 die Eindeichung der Wybelsumer Bucht, um sie mit dem Baggergut der Ems verfüllen zu können (diese Aufgabe übernahm später der Rysumer Nacken). Zur Entwässerung dieses neuen Polders wurde in dieser Zeit das fiskalische (d.h. unter staatlicher Aufsicht stehende) Siel in der Nähe des alten Knockster Siels (vom Entwässerungsverband) gebaut. Beide Siele entwässerten in die Außenmuhde im Knockster Watt, die heute nicht mehr zu sehen ist.
Da nach der Eindeichung die vorhandenen vier Siele in Larrelt, der Knock und Greetsiel die Niederschlagsmengen der weiter binnen gelegenen Gebiete nur unzureichend ableiten konnten, wurde 1968 mit dem Bau des großen Schöpfwerks und des Mahlbusens am Südende des Rysumer Nacken begonnen. Im ursprünglichen Entwurf lag der Campingplatz zusammen mit einem Freibad und einer großen Reit-, Spiel- und Sportfläche auf der anderen (südlichen) Seite, auch eine Ruderegattastrecke war vorgesehen. Letztlich wurde nur ein Campingplatz auf der nördlichen Seite verwirklicht.
Nach der Fertigstellung des neuen Schöpfwerks 1969 wurde das alte Knockster Siel und das fiskalische Siel außer Betrieb genommen. Reste beider Siele kann man auch heute noch besichtigen, am Mahlbusen steht zudem ein Denkmal an der Stelle, wo sich früher die Dorfkirche von Betteweer II befand. In diese hatten sich die Bewohner gerettet, sie brannte jedoch ab, als gegen die Kälte ein Feuer entzündet wurde:
Das Dorf Bettewehr wurde man sagt auch dies wäre unnöchig gewesen außer dem Deich gefetzet und de Wellen Preis gegeben. Die Kirche welche 1605 aus der geschleiften Kirche des alten ausgedeichten Bettewehr erbauet war kam nun mitten in dem neuen Deich zu stehen. Harkeroth hielt am 27 Sept die letzte Predigt in der Kirche Er fing seine Einleitung aus Hiob 7 VI an “hat nicht der Mensch Streit auf Erden? und sind seine Tage nicht wie die Tage eines Taglöhners?” und nahm dabei Gelegenheit scharf auf die Deichcommissarien loszuziehen.
Quelle: Ostfriesische Geschichte: Bd. von 1714 bis 1734
(Tileman Dothias Wiarda)
Der oder das Siel? Im hochdeutschen das Siel, die Ostfriesen nennen es aber auch häufig der Siel.
Mehr Informationen findet man im Buch Gewässerkunde Ostfrieslands von Theodor Janssen, Verlag Ostfriesische Landschaft, Aurich, 1967.
Auch in meinem Buch Lost & Dark Places Ostfriesland gibt es ein Kapitel über Bettewehr.