Das Thermometer zeigt 24 °C an, eigentlich zu viel für den Oktober, aber so gibt es ganz entspannt im T-Shirt eine kleine Tour durch die Krummhörn.
Los geht es im kleinen Dorf Uttum, wo es sogar einen Anleger zum bequemen Einsteigen gibt. Wie bereits beschrieben, geht es auf dem Uttumer Tief (früher: Wolder Tief) an der alten Ziegelei vorbei nach Eilsum, wo ich einem orientierungslosen Paddel-Touristen den richtigen Weg zeigen kann. In Eilsum geht es links auf das Alte Greetsieler Sieltief vorbei an den im Mittelalter gegründeten Siedlungen Bolkenwehr und Hösingwehr. Das Sieltief entstand aus dem Ostervogteitief durch die Verlandung der Leybucht und dient heute nicht mehr wie früher als Handelsweg, sondern als hauptsächlich als Entwässerungstief und Revier für Paddler und Bootsfahrer.
Etwa einen Kilometer nervt etwas die am Wasser verlaufende Landstraße, dann geht es einsam durch die Felder. Die baufällige Brücke nach Angernwehr ist mittlerweile abgerissen, nur noch die Pfeiler stecken im Wasser. Es folgt die Brücke bei Middelstewehr und die Brücke zum Ferienhof am Siel. Nun folgt das Gebiet, auf dem vor einigen Jahren mit Greetland eine 85.000 Quadratkilometer große Ferienanlage geplant war. Nach energischen Protesten vieler Einheimischer gegen diesen Massentourismus gab es eine Abstimmung, bei der sich über 60 % der Bewohner gegen Greetland entschieden – Greetland war Geschichte.
Weiter geht es vorbei an den Greetsieler Zwilligsmühlen in die Ortschaft. Eines der beiden Wahrzeichen Greetsiels wurde im Oktober 2013 vom Orkan Christian schwer beschädigt, der Sturm riss die gesamte Kappe samt Flügel von der Mühle. Zum Glück wurde niemand verletzt. Da sie aber nicht gegen Sturm versichert war, war man für den Wiederaufbau auf Spendengelder angewiesen.
Es folgt der trotz aller Touristen immer noch sehenswerte historische Ortskern mit kurzen Abstechern zu den beiden Sieltoren. Eine Schleuse gibt es nicht, Sportboote können von hier nicht in die Nordsee fahren. Ein Kajak dagegen kann man problemlos übersetzen und dann über das in den 1990er Jahren gebaute Speicherbecken und die Schleuse Leysiel in die Leybucht fahren. Alternativ gibt es die Möglichkeit, über den neu angelegten Störtebecker Graben zum Norder Tief zu gelangen.
Die Rundtour führt nun zum Neuen Greetsieler Sieltief. Ein überbreites Ausflugsschiff fährt mit überhöhter Geschwindigkeit und großem Wellenschlag vorbei, es wimmelt von Tretbooten und anderen Leihbooten. Am Ortsausgang wird es ruhiger, rechts zweigt das Pilsumer Tief ab, das bestimmungsgemäß in Pilsum endet.
Das nun folgende Appingen hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Im Mittelalter war Appingen die Stammsitz des späteren Grafengeschlechts der Cirksena, aus dem viele der Grafen und Häuptlinge Ostfrieslands hervorgingen.
Appingen lag direkt an der Bucht von Sielmönken und damit am Meer. Durch die fortschreitende Eindeichung wurde Appingen jedoch vom Meer getrennt und verarmte, die Cirksenas und die meisten Bewohner des Kirchdorfes zogen nach Greetsiel. Von dem ehemaligen blühenden Handelsplatz und Häutplingssitz blieb nur die Kirche übrig, die zur Kapelle heruntergestuft wurde und 1437 von den Cirksenas dem Karmeliterorden übergeben wurde, um ein Kloster zu errichten. Heute steht an der Stelle ein Hof, genannt Kloster Appingen, von dem Dorf sind keine Überreste mehr sichtbar.
Ein lärmendes Motorboot kommt langsam näher, obwohl es nur 5 km/h fahren dürfte und ich laut GPS schneller unterwegs bin. Kurz vor Visquard biege ich daher für eine Pause kurz auf den Visquarder Meedenschloot ab und lasse das Boot vorbei.
Es geht weiter an Visquard vorbei, ein sehenswertes altes Warfendorf mit einer Kirche aus dem 13. Jahrhundert. Kurz danach zweigt rechts das Manslagter Tief ab und es beginnt ein Windenergiepark. Das Sieltief schlängelt sich tiefgrün veralgt zunächst in seinem natürlichen Bett am Rande der ehemaligen Bucht von Sielmönken durch das Land, später dann schnurgerade unter der Brücke der Eilsumer Straße durch. Knapp einen Kilometer weiter versuche ich eine Abkürzung, statt über Hinte und Loppersum verlasse ich hier das Sieltief, um ca. 20 km zu sparen. Das Rohr der Dammstelle des links abzweigenden Metzlandschlootes ist gerade noch hoch genug, um mit der Nase auf dem Bootsdeck hinein zu fahren. Mitten in der Röhre jedoch zwingt mit ein lautes Motorgeräusch zum Umkehren. Was in der Röhre wie eine Mischung aus Hubschrauber und Ferrari klingt, erweist sich als Sportboot, welches in Gleitfahrt mit stark überhöhter Geschwindigkeit durch das schmale Tief pflügt.
Nachdem sich die Wellen gelegt haben, geht es nun endlich weiter. Nur 100 m weiter folgt die nächste Dammstelle – wer lieber umträgt, sollte gleich beide umgehen. Im Wasser schwimmt ein Fernseher aus der Röhrenzeit – wie der hier abgeladen wurde, bleibt ein Rätsel. Das Wasser selbst ist im Gegensatz zum trüben grünen Wasser des Sieltiefs erstaunlich klar, man kann bis auf den Grund sehen. Wenn es nur nicht so zugewachsen wäre – stellenweise muss man sich an Schilfhalmen vorwärts ziehen. Nach einem mühsamen halben Kilometer durch die Wildnis ist der Graben geräumt und es geht weiter bis zum Ende: der Uttumer Escher kreuzt den Schloot. Auf diesem Feldweg geht es nun etwa 1,5 km zurück nach und durch Uttum, um das Auto zu holen.