Rollen können

…ist gar nicht so schwierig!

Eskimorolle, Kenterrolle, Kajakrolle oder einfach nur „die Rolle“ – für viele Wanderpaddler und Seekajakfahrer ist dies immer noch der „heilige Gral“ des Paddelns, ein schier unerreichbares Ziel. Im Gegensatz dazu ist die Rolle bei Wildwasserfahrern Alltag, sie gehört zur Grundausbildung des Paddelns.

Dabei ist die Rolle eigentlich gar nicht so schwierig. Man benötigt weder viel Kraft noch eine extreme Beweglichkeit, um das Boot aus eigener Kraft wieder aufzurichten. Wichtig ist die Koordination der Bewegungen, die durch die Lage (kopfüber) und und das Wasser (Atmen nicht möglich – Panik!) erschwert wird.

Der Einstieg

Es ist daher sinnvoll, beides zunächst getrennt und individuell zu üben. Zunächst sollte eine Gewöhnung an das Wasser erfolgen. Damit ist nicht das Schwimmen gemeint – das sollte man ohnehin können – sondern das Tauchen. Einfache Übungen vom Handstand auf dem Schwimmbeckenboden bis hin zu einem Purzelbaum unter Wasser bilden die Voraussetzung für den ersten wichtigen Schritt: mit dem Boot kentern und unter Wasser aussteigen, zunächst ohne, später mit Spritzdecke. Dabei bietet eine zweite Person die Sicherheit, im Notfall helfen zu können.

Erstmal ungewohnt: kopfüber unter Wasser

Bei der Spritzdecke ist es wichtig, die Schlaufe außen zu lassen und den Kniegurt (soweit vorhanden) festzuziehen, damit man unter Wasser in aller Ruhe die Spritzdecke öffnen kann. Die weit verbreitete Angst, man würde unter Wasser im Boot festgeklemmt werden, erweist sich dann schnell als unbegründet. Nach Absprache mit dem „Aufpasser“ kann man am Ende auch versuchen, mit eingeklemmter Schlaufe auszusteigen. Während zu Beginn eine Schwimmbrille zur Orientierung hilfreich sein kann, sollte man am Ende den Ausstieg auch mit geschlossenen Augen üben. In norddeutschen Gewässern sieht man unter Wasser meist nicht viel.

Das andere Problem ist die Nase – manche Menschen sind anfälliger für aufsteigendes Wasser als andere. Fürs Training bietet sich eine Nasenklammer an, für den Ernstfall sollte man sich angewöhnen, unter Wasser leicht durch die Nase auszuatmen. Salzwasser ist übrigens sehr viel angenehmer als gechlortes Schwimmbadwasser.

Das Kajak

Es ist unbestreitbar, dass einige Kajaks leichter zu rollen sind als andere. Ideal ist eine geringe Breite und geringe Höhe des Cockpits. Genau so wichtig ist aber auch ein fester Sitz – wer aus der Luke fällt, weil er sich nicht festklemmen kann, kann auch nicht rollen.

Mit etwas Übung kann aber fast jedes Kajak gerollt werden, sogar ein Faltboot. Wer’s nicht glaubt, schaut sich auf Youtube Videos von Dubside an…

Trockenübung

Den eigentlichen Bewegungsablauf der Rolle kann man auch zunächst auf dem Trockenen üben: das Kajak auf den Rasen legen und sich einfach mal umkippen lassen. In der Endposition sollte man den Oberkörper um etwa 90° gedreht haben (also in den Himmel blicken, soweit es der Rücken zulässt) und somit auf dem Rücken liegen. Das Boot liegt auf der Seite und kann nun mit Hilfe der Hüfte hin und her gekippt werden. Dabei bleibt der Oberkörper inklusive Kopf so lange unten, bis das Kajak wieder aufgerichtet ist. Erst dann richtet man sich mit Hilfe des Paddels oder z.B. eines Besenstiels wieder auf. Die Übung kann man noch verbessern, wenn man zwei Altreifen vorne und hinten auf das Boot schiebt.

Es geht los

Im dritten Schritt wird nun dieser Bewegungsablauf ins Wasser verlegt. Wer den Luxus eines Schwimmbadtrainings mit Kajaks hat, nimmt hierfür den Beckenrand. Das bedeutet, der Oberkörper wird durch die Arme am Beckenrand an der Wasseroberfläche gehalten, der Kopf ist im (nicht unter) Wasser und blickt wieder soweit wie möglich nach oben zur Decke. Das Kajak wird nun durch die Hüfte gekippt und wieder aufgerichtet. Wer draußen übt, nimmt  entweder den Bug eines anderen Kajaks oder ein Hilfsmittel wie Schwimmbrett oder Luftmatraze.

Hat man das Kajak aufgerichtet, folgt der Oberkörper. Hier werden die meisten feststellen, dass es mehrere Möglichkeiten gibt, den Oberkörper wieder über das Kajak zu bewegen:

  • indem man sich mit dem Rücken auf das Achterdeck dreht
  • indem man den Oberkörper seitlich beugt
  • indem man den Kopf Richtung Vordeck bewegt

Hieraus lassen sich auch die drei wichtigsten Typen der Rolle ableiten:

  •  die Bogenschlagrolle (engl. sweep roll)
  • die Paddelhangrolle (engl. C-to-C roll)
  • die Sturmrolle (engl. storm roll)

In der Praxis und erst recht in Notsituationen sind es meist Mischformen, wenn die Luft knapp wird, muss es nicht mehr elegant aussehen.

Der Einstieg: die Paddelhangrolle

Am einfachsten zu lernen ist für viele die Paddelhangrolle. Die englische Bezeichnung „C to C“ beschreibt dabei, dass der Körper am Anfang und am Ende wie ein „C“ seitlich gebogen ist, das zweite C müsste eigentlich seitenverkehrt sein. Dabei bringt man das Paddel zunächst in 90° Stellung zum Boot, dann erfolgt die Bootsdrehung mit der Hüfte, zum Schluss erst kommt der Oberkörper aus dem Wasser. Der Vorteil ist der einfache Bewegungsablauf, außerdem endet man in „paddelfertiger“ Position. Diese Bewegung sollte wie oben zunächst ohne Paddel optimiert werden, d.h. der benötigte Druck auf den Beckenrand bzw. später auf das Paddel sollte minimiert werden.

Klappt das alles, kommt der nächste Schritt. Ohne Beckenrand und ohne Paddel lässt man sich umkippen und nimmt die Ausgangsposition ein. Die Hände sollten möglichst weit aus dem Wasser schauen, der Blick geht wie vorher nach oben. Ein Helfer nimmt die Hände und stabilisiert sie auf Höhe der Wasseroberfläche, genau wie vorher der Beckenrand. Der Rest verläuft wie oben: mit der Hüfte das Boot aufrichten, zum Schluss den Oberkörper aufrichten. Wer keinen Helfer hat (zuschauen sollte aber auf jeden Fall jemand, für den Notfall), probiert es mit einem Schwimmbrett.

Jetzt kommt das Paddel ins Spiel. Es sollte möglichst wenig oder gar nicht gedreht sein, Grönlandpaddel sind für viele ideal zum Lernen, da man direkt die Stellung der Paddelblätter erfühlen kann.

Auch wenn man „draußen“ nicht weiß, wie man kentert, ist es zum Erlernen sehr nützlich, eine feste Ausgangsstellung zu haben. Dabei wird das Paddel möglichst tief parallel ans Boot gelegt, der Kopf sollte fast das Vordeck berühren. Dadurch ist das Paddel bereits in der richtigen Position und wird nach dem Kentern senkrecht zum Boot ausgerichtet. Der bootseitige Arm bleibt nahe am Körper, der andere Arm bringt das Aktionsblatt des Paddels in die 90°-Position. Wichtig ist dabei, dass das Paddelblatt nahe der Wasseroberfläche bleibt und parallel zur Wasseroberfläche ausgerichtet ist. Nun erfolgt wieder die Aufrichtbewegung aus der Hüfte, statt Beckenrand baer mit dem Paddel als Hilfsmittel.

Da das Paddel weit weniger Widerstand bietet als der Beckenrand, ist es noch wichtiger dass erst das Boot und dann der Oberkörper aus dem Wasser kommen. Der Kopf verlässt als letztes das Wasser. Es ist hilfreich, während des Rollvorgangs den Blick auf das Aktionsblatt zu richten, dadurch kommt der Oberkörper automatisch in die richtige Position. Das war’s auch schon – die erste Rolle.

Typische Fehler:

  • falsche Ausgangsposition, Paddel nicht parallel am Boot
  • der Kopf will unbedingt zuerst aus dem Wasser, statt erst das Boot aufzurichten
  • das Paddelblatt ist schneidet durchs Wasser, da es nicht parallel ausgerichtet ist
  • Das Paddelblatt taucht schon in der Ausgangsposition zu tief ins Wasser

Die anderen Rollen

Wer eine Rolle sicher beherrscht, kann relativ schnell weitere Rollen lernen, da er bei einem Fehlversuch immer wieder mit seiner Standardrolle hochkommen kann. Es gibt Unmengen an Rollen, sogar Rollmeisterschaften werden ausgerichtet. Nicht alle davon sind für den Alltag sinnvoll, verbessern aber in jedem Fall das Bootsgefühl. Es gibt Leute, die mit einer Zwangsjacke rollen können oder mit einem Backstein.

Sehr häufig findet dagegen man die Bogenschlagrolle. Die Ausgangsposition ist die gleiche, man nutzt jedoch das Paddel von Anfang an und lässt es bogenförmig über die Wasseroberfläche gleiten (daher der Name „sweep-roll“) während der Oberkörper gleichzeitig dem Aktionsblatt folgt und somit von der Vorlage (Nase auf Vordeck) in die Rücklage (Rücken auf Achterdeck) gelangt. Dadurch hat man einen großen Aktionsbereich und eine starke Rolle. Im (deutschen) Wildwasserbereich ist sie bei einigen Trainern verpönt, da am Ende das Gesicht angeblich ungeschützt ist und der Rücken ins Hohlkreuz geht. Die Amerikaner sind da pragmatischer und befürworten alles, was uns schnell wieder hoch bringt.

Rotiert man den Oberkörper nach der 90°-Position nach vorne, also quasi zurück in die Ausgangsposition, erhält man die sog. „storm roll„, die im Prinzip der Wildwasserrolle entspricht. Unbestreitbarer Vorteil ist die Endposition – man kann direkt weiterpaddeln. Allerdings ist sie nicht so kraftvoll und erlaubt weniger Fehler.

Stützen ist wichtiger als Rollen

Viel wichtiger als die Rolle ist das Stützen – wer gut stützt, kentert gar nicht erst. Wer aber gut rollen kann, kann auch stützen, denn die Stütze ist genau genommen der letzte Teil der Rolle.

Die flache Stütze hat fast jeder schon einmal gemacht – das Paddel wird von oben aufs Wasser gedrückt, die Oberarme parallel zum Paddel, die Unterarme senkrecht dazu, die Hände sind unten. Der Oberkörper macht hierbei am besten auch wieder die „C to C“-Bewegung, d.h. erst das Boot, dann den Rest aufrichten.

Die hohe Stütze erfordert etwas Mut – das Paddel ist jetzt etwa auf Höhe der Schultern, die Unterarme zeigen nach oben. Die Ellenbogen sollten möglichst dicht am Körper liegen, um die Schultern zu entlasten. Während man sich nun fallen lässt, beugt sich der Oberkörper wieder wie ein „C“, um sich anschließend mit dem Paddelblatt auf dem Wasser wieder zur anderen Seite zu beugen – genau wie bei der Rolle. Mit etwas Übung kann der Kopf die Wasseroberfläche berühren. Mit noch mehr Übung kann man sich auf die Wasseroberfläche legen und am Paddel abstützen („balance brace“). Das geht aber nicht mit allen Booten und erfordert ein gute Beweglichkeit der Hüfte und Schulter.

Weitere Tipps und Links

Es gibt unzählige Seiten über das Rollen. Wer sich Videos anschauen möchte, dem empfehle ich die DVD von Ken Whiting. Teile daraus finden sich auch auf Youtube.

Aller Anfang ist schwer

Wer alleine lernen möchte – es geht. Aber es sollte zumindest jemand in der Nähe sein, um im Notfall helfen zu können. Ich habe mir die Rolle auch selbst beigebracht: im Großen Meer. Dort ist es an einigen Stellen so flach, dass man zwar knapp durchrollen kann, sich im Notfall aber mit den Händen am Boden abstützen und so den Kopf aus der Schlinge (dem Wasser) ziehen kann. Sehen tut man allerdings unter Wasser gar nichts.

Den größten Fortschritt habe ich mit dem Grönlandpaddel erreicht, es erleichtert die Orientierung ungemein.

Wer nun das erste Mal nicht in Badehose, sondern im Trockenanzug und mit Schwimmweste rollt, wird eventuell ein neues Problem bemerken: das Durchrollen ist deutlich schwieriger, der Auftrieb aus Weste und Luft im Anzug ist hinderlich. Daher beim Kentern möglichst dicht nach vorne aufs Boot legen – und für den Fall der Fälle auch auf der anderen Seite hochrollen üben.

Video:
Rettungsübungen mit dem EKC

Auf dem tiefen Teil des Kleinen Meeres wurden einige typische Rettungsübungen durchgeführt.