Eine kurze Reise in die Vergangenheit
„Meerbude“ ist ein typisch ostfriesischer Begriff, mit dem ursprünglich kleine, aus Holz gefertigte Wochenendhütten an den ostfriesischen Binnenmeeren gemeint waren. Ohne Strom, Wasser oder Abwasseranschluss, oft nur auf dem Kanal zu erreichen: am Kurzen Tief oder Heikeschloot beim Kleinen Meer, am Uphuser Meer oder später auch am nördlichen Teil des Großen Meeres. Dort jedoch waren es später schon keine Hütten mehr, sondern kleine Häuser mit allem Komfort.
Die Meerfahrer-Kultur, das „Bootjefahren“, entwickelte sich so richtig zu Beginn des 19. Jahrhunderts, auch wenn schon vorher die Binnenmeere für Ausflüge genutzt wurden. Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg fuhren Einwohner Emdens am Wochenende auf dem Treckfahrtstief zu ihrer Bude zum Kleinen Meer, auch Hieve genannt. In dieser Zeit wurden auch viele Wassersportvereine wie der Emder Segelverein, der Emder Ruderverein oder der Segelverein Neptun gegründet. Nach dem Krieg entstanden weitere Siedlungen am Kanal oder direkt am Meer, das Grundstück wurde in der Regel vom Bauern gepachtet.
Auch ich verbrachte meine Jugend zu einem großen Teil auf dem Wasser. Es begann mit einem Kajütboot und einer kleinen Jolle, welche in Harsweg lagen. Dann hatten meine Eltern am Kurzen Tief in der Nähe der legendären Gaststätte Köhnemann einige Jahre ein Grundstück gepachtet, später am Marscher Tief zwischen Großem und Kleinem Meer. Von dort ging es zum Segeln oder Paddeln auf’s Meer.
Nicht alle Buden am Kleinen Meer hatten eine Baugenehmigung, die war oft kaum zu bekommen, daher blieb es bei uns auch beim Kajütboot. Zum Glück, denn mit der Ausweisung des Naturschutzgebietes „Großes Meer“ und dem gestiegenen Umweltbewusstsein in der Verwaltung wurde dem Wildwuchs ein Ende gesetzt: sämtliche Hütten entlang des Marscher Tiefs mussten entfernt werden. Für viele Rentner ein Schlag, von dem sie sich kaum erholen konnten. So manche Bude fiel wohl aus Frust einem „warmen Abriss“ zum Opfer, so wurde gemunkelt.
An einem Wintertag im Februar 2025 machte ich mich auf den Weg, um mir diesen speziellen „Lost Place“ noch einmal anzusehen. Da das Ostufer unter Naturschutz steht und nicht betreten werden darf, blieb ich auf der westlichen Seite. Von den Buden sind nur noch wenige Reste erkennbar, die in absehbarer Zeit wohl endgültig im Boden verschwinden werden. Es hat sich eine kleiner Birkenwald entwickelt, an einigen Stellen haben sich noch Rhododendren erhalten.
Auf dem Rückweg taucht ein Schwarm Kiebitze auf, früher eher ein Zugvogel, mittlerweile das ganze Jahr über heimisch. Noch ein Tier, welches bei Frost eigentlich inaktiv sein sollte, krabbelt die Hose hoch: Eine Zecke. Nicht einmal im Winter ist man sicher.
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