Bombenhagel am Galgenberg – der Loher Wald

Der Loher Wald ist über 340 ha groß – und sehr einsam. Er liegt im „Dreiländereck“ Ostfriesland, Ammerland und Cloppenburg am Naturschutzgebiet Godensholter Tief. Dieses Tief – eigentlich ein Fließgewässer – heißt im Oberlauf Aue und entspringt dem Zwischenahner Meer, ändert zwischendurch mehrfach seinen Namen und bildet auf einer längeren Strecke die Grenze zwischen den Landkreisen Cloppenburg und Ammerland. Schließlich wird sie mit der Soeste zusammen zum Barßeler Tief, mündet in die Jümme und über die Ems in die Nordsee. Im Unterlauf unterliegt sie dadurch den Gezeiten.

Das Gebiet des Loher Waldes wurde durch die Eiszeit geprägt. Es liegt auf dem während der Saale-Kaltzeit entstandenen Oldenburgisch – Ostfriesischen Geestrücken. Dort kam es nach der letzten (Weichsel-)Kaltzeit zur Bildung von Binnendünen durch Verwehung der Sanddablagerungen, da die Bodenschicht nicht durch Vegetation geschützt wurde. An einigen Stellen enstanden auch Mulden, bei denen der Sand ausgeblasen wurde. Sie füllten sich mit Wasser und werden Schlatt genannt. Solch ein flacher, saurer Heidesee liegt auch am Godensholter Tief, das Drakamp-Schlatt, auch Mützenpol oder Mutterpool genannt. Das Flurstück nördlich von diesem See, ein Feuchtgebiet, heißt „In der Moes“. Wirklich.
Das Schlatt steht unter Naturschutz und ist Heimat bedrohter Arten wie Sonnentau oder Blumenbinse. Ein kleiner Weg, der nicht verlassen werden darf, führt um den See.

Mit Beginn der Warmzeit bildete sich in den entstandenen Dünen eine offene Heidelandschaft, die extensiv landwirtschaftlich genutzt wurde, hauptsächlich zur Schafhaltung. Auf einem der Hügel erbaute man im Mittelalter eine Hinrichtungsstätte, den Galgenberg. Dieser „Berg“ taucht mit einer Höhe von sagenhaften 7,50 m noch heute als „Gälberg“ in aktuellen topographischen Karten auf. Das erste Ziel der Wanderung stand damit fest: gibt es die Düne noch? Deutet noch etwas auf die Verwendung hin?

Das nördlich vom Wald gelegene Dorf Godensholt hieß im 13. Jahrhundert noch Wodensholte. Der Name lässt vermuten, dass dort ein dem Gott Wotan gewidmeter Wald stand, der später verschwand. Um 1900 wurde der Bereich wieder aufgeforstet, einige sehr alte Bäume zeigen, dass es in der Heidelandschaft vorher bereits kleine Gehölze gegeben haben muss. Zunächst wurde der nördliche Bereich aufgeforstet, in den 1920er Jahren dann der südliche. So entstand der Loher Wald. Entlang des Tiefs wurde an einigen Stellen Sand für den Straßenbau entnommen, die Dünen verschwanden zum großen Teil. Der Forst blieb und ist heute ein großes, zusammenhängendes Mischwaldgebiet.

Der Loher Wald aber tauchte vor einigen Jahren noch aus einem anderen Grund in den Lokalzeitungen auf, denn ein Baggerfahrer hatte bei seiner Tätigkeit in dem Forst eine Bombe ausgegraben: 250 kg schwer! Der eiligst herbeigerufene Kampfmittelräumdienst konnte Entwarnung geben: es war „nur“ eine Übungsbombe. Von denen sollen im Forst noch eine ganze Menge liegen. Denn die Einsamkeit und dünne Besiedelung sorgte dafür, dass das Gebiet im Zweiten Weltkrieg militärisch genutzt wurde – als Bombenabwurfgebiet. Hier übten die Flieger das Zielen mit Geschützen und Bomben, dafür sollen sogar Holzattrappen gebaut worden sein. In dem Wald befanden sich auch zwei Bunker und Beobachtungstürme. Die Türme sind abgebaut worden, von den Bunkern sollen aber noch Fundamente vorhanden sein: Ziel Nummer zwei.

Wer nun die Einsamkeit sucht und den Wald betreten möchte, muss erstmal suchen: es gibt nur eine Handvoll Zugänge, denn der Loher Ostmark-Kanal und das Godensholter Tief schirmen es ab und haben nur wenige Übergänge. Ein bequemer Zugang mit Parkplatz befindet sich an der Edewechter Straße am Naturschutzgebiet, dort steht auch eine Infotafel, ein weiterer befindet sich auf der anderen Seite des Waldes am Ende der Uhlenbergstraße. Man sollte, sofern vorher nicht tagelange Trockenheit herrschte, Gummistiefel anziehen, nur wenige Wege sind geschottert, der Rest ist feucht bis nass. Auch ein Anti-Mückenmittel darf im Sommerhalbjahr nicht vergessen werden, die vielen Teiche und Tümpel sind Brutstätte für allerlei stechendes Getier. Zecken gibt es reichlich, geschlossene Kleidung hilft.

Vom Schlatt gelangt man in den nördlichen Teil des Waldes, hier findet man tatsächlich nach einigem Suchen den Hügel, der heute Gälberg genannt wird, Ziel Nummer eins. Er ist allerdings dicht bewachsen, nichts deutet auf seine dunkle Vergangenheit hin. Graben ist allerdings generell verboten, wegen der Bomben sollte man es erst recht lassen, die Rauchzünder sind durchaus nicht ungefährlich. Aber der Wald ist auch so recht abwechslungsreich, auf der angrenzenden Lichtung äsen häufig Rehe. Im Nordwesten gibt es eine Feuchtwiese, ein ehemaliges Moor namens Flage (niederdeutsch für Fläche). Dort gibt es hin und wieder Kraniche. Etwas weiter südlich wachsen unter alten Kiefern viele gelbe Ginsterbüsche. Es ist der Uhlenberg, ein weiterer Hügel, der „Höhenzug“ aus Flugsand wird Uhlenbergstange genannt. Von hier gelangt man auf einem kleinen Pfad zu einem der wenigen Übergänge über den Loher Ostmark-Kanal zur Uhlenbergstraße. Auf dem Weg findet man sogar Weinbergschnecken.

Ziel Nummer zwei ist dagegen schon schwieriger. Auf den aktuellen Karten deutet nichts mehr auf die Bunkeranlagen hin und der Wald ist für einen systematische Suche zu groß. Beim ersten Besuch war daher nichts zu finden. Weitere Recherche brachte eine alte topografische Karte hervor, auf der zwei Gebäude eingezeichnet sind. Auf ein neues, ein zweiter Besuch war fällig. Das erste Gebäude stand noch – eine Waldhütte. Gegenüber liegt eine Lichtung, die offensichtlich für ein Feuer genutzt wurde.

Das zweite Gebäude war an einer Stelle, die auf Luftaufnahmen weniger dicht bewaldet aussah. Die Mücken waren im Unterholz jedoch so unerbittlich, dass die Suche trotz Anti-Mückenmittel abgebrochen werden musste. Im Herbst wird weiter gesucht.

Der Loher Forst ist ideal für Leute, die auch mal längere Zeit im Wald unterwegs sein möchten. An zwei Tagen bin ich nur zwei Personen begegnet – auf Fahrrädern.

Nicht weit entfernt liegt an der Soeste ein weiterer hügeliger Wald: der Walterberg, wegen der seltenen Pflanzen Ziel manch einer botanischen Expedition. Auch hier gibt es einen kleinen See.